Weißt Du noch, was Du als Kind werden wolltest?
Während meine Freundinnen Tierärztinnen oder Lehrerinnen werden wollten, hatte ich zwei ganz andere Traumberufe: Spielzeugladenbesitzerin und Bürgermeisterin von Hamburg. Der erste Beruf war eher eigennütziger Art – ich hatte die geniale Idee, alle Spielsachen vor dem Verkauf ausgiebig auszutesten, um nur die besten Spielsachen zu verkaufen! Was mich bei der Bürgermeisterin ritt, das weiß ich bis heute nicht.
Das Schicksal hat für mich allerdings einen anderen Beruf vorgesehen – heute bin ich Geschäftsführerin meines eigenen Modelabels l’amour est bleu. Rückblickend sind meine ersten beruflichen Ambitionen von meiner jetzigen Berufung gar nicht so weit entfernt…
Mit Kleidern Geschichten erzählen
Meine ersteren Traumberufe habe ich an den Nagel gehängt, nachdem ich meine Leidenschaft für das Zeichnen entdeckt habe. Mein Vater ist ein begnadeter Zeichner und konnte mit einer Leichtigkeit alle meine Wünsche zu Papier bringen. Ich war fasziniert von seiner Gabe und wünschte mir, auch so gut zeichnen zu können. Ich verbrachte Stunden mit dem Zeichnen von Menschen, zu denen ich mir Geschichten im Kopf ausmalte. Irgendwann kommt man in ein Alter, in dem Erwachsene von Dir erwarten, konkrete Berufswünsche zu äußern. Für mich war klar: Ich werde Modedesignerin! Menschen einkleiden ist für mich wie Geschichten erzählen. Wenn ich ein Kleid entwerfe, entsteht in meinem Kopf gleichzeitig eine Geschichte über die Person. Was für ein Mensch ist sie und was erlebt sie mit diesem Kleidungsstück? Manchmal inspirieren mich auch Menschen zu neuen Designs oder mein Wunsch für einen bestimmten Anlass ein besonderes Kleid tragen zu wollen gibt mir neue Ideen. Mensch, Kleid und Geschichte gehören für mich unmittelbar zusammen.
Was für Mode möchte ich entwerfen?
Meine Vorstellung eines Modelabels hatte am Anfang nicht im Geringsten mit Nachhaltigkeit zu tun.
Letztes Jahr brachen meine Familie und ich unsere Zelte im schönen Hamburg ab und suchten ein neues Zuhause in Berlin. Dies fühlte sich für mich nach dem richtigen Zeitpunkt an, um meinen lang gehegten Traum in Angriff zu nehmen. Endlich hatte ich die Ruhe und Zeit mir darüber Gedanken zu machen, welche Art von Mode ich entwerfen möchte. Welche Werte soll sie widerspiegeln? Was für ein Unternehmen möchte ich gründen? Als ich meine letzten 10 Jahre in der Modebranche Revue passieren ließ, wurde mir bewusst, dass ich vieles anders machen wollte. Ich konnte für die Mode nicht mehr die Leidenschaft aufbringen, die ich damals empfand. Dazu trugen die schlimmen Ereignisse in den Produktionsländern und all die Wahrheiten, die danach ans Licht kamen, bei. Im Gegensatz dazu entwickelte sich die Modewelt immer mehr zu einem oberflächlichen Zirkus, in dem Menschen Mode nicht mehr als Ausdruck ihrer Persönlichkeit nutzen, sondern sich nur noch gedankenlos inszenieren. Mir fehlte die Leidenschaft, die ich damals im Studium beim Entwerfen und Herstellen eines Kleides empfand oder die ich auch heute noch spüre, wenn ich ein anspruchsvoll designtes Kleid in der Hand halte. Ich habe mich oftmals gefragt, ob ich noch Teil dieser Modewelt sein wollte.
"Mode mit gutem Gewissen tragen und lieben"
Trotz der vielen Zweifel konnte ich mir einfach nicht vorstellen einem anderen Beruf nachzugehen. Dafür ist meine Leidenschaft für Mode einfach zu groß! Also entschied ich mich Mode zu schaffen, mit der ich mich wieder identifizieren konnte. Mode sollte wieder ihren hohen Stellenwert erhalten und nicht nur „die zweitgrößte umweltschädigende Industrie der Welt“ sein. Mode sollte wieder etwas Besonderes für die Menschen sein. Mir wurde bewusst, dass Nachhaltigkeit ein unabdingbarer Wert für mein Modelabel werden musste. Wie soll man sich in ein Kleid verlieben, wenn man sich nicht sicher sein kann, ob daran nicht das Leid anderer Menschen und der Umwelt hängt? Ich möchte ein Kleid mit gutem Gewissen tragen und lieben und auch anderen Menschen diese Möglichkeit geben.
Was bedeutet Nachhaltigkeit bei l’amour est bleu?
Bei meiner Recherche zum Thema Nachhaltigkeit in der Modeindustrie, stieß ich auf viele unterschiedliche Definitionen und Umsetzungen. Mir wurde klar, dass ich für meine Mode eigene Nachhaltigkeitsziele setzen musste. Mir ist es wichtig, dass die Mode von l’amour est bleu von der Faser bis zum fertigen Kleidungsstück unter fairen Arbeitsbedingungen und umweltschonend hergestellt wird. Für die Mode verwende ich zertifizierte nachhaltige Stoffe und sie wird lokal in Deutschland produziert. Wir unterstützen einen der letzten Schneidereibetriebe aus dem Erzgebirge, wo der historische Ursprung der deutschen Textilindustrie liegt.
Ein Modeunternehmen besteht allerdings aus viel mehr als die reine Produktion der Bekleidung. Zu gerne würde ich behaupten können, dass das gesamte Unternehmen l’amour est bleu nachhaltig ist. Diese Entwicklung wird erst nach und nach kommen können. Genauso wie in meinem Privatleben auch. Mein Kleiderschrank ist in keiner Weise zu 100% nachhaltig und genauso wenig kann ich von mir behaupten, dass mein Lifestyle einen Preis für Nachhaltigkeit gewinnen könnte. Aber meine Familie und ich arbeiten darauf hin, genauso wie mein Unternehmen auch.